, ihr wisst es nicht, aber ihr baut euer Haus mit mir.“
Ohne Mist, mit dieser Pickup-Line begrüßte uns der Verkäufer in einem riesigen (> 200 m²) Haus im Fertighauspark Fellbach. Ich bin mir nicht sicher, wie oft dieser Anmachspruch schon funktioniert hat, aber glücklicherweise kann ich sagen, dass er bei uns nicht gewirkt hat. Die Story ist aber zu schön, um sie auszulassen. Also: Popcorn holen und Zurücklehnen.
Verzweiflung
Was war 2020? Richtig, Corona. Und 2021? Richtig, kollabierende Lieferketten. Wie, man braucht zum Bauen Rohstoffe? Und die sind in der Globalisierung nicht um die Ecke, sondern deutsches Holz landet in Kanada, russisches Holz in Deutschland und kanadisches Holz in … *ähhh* Russland? Jedenfalls haben die Lockdowns dem Handel einen ordentlichen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Ich erinnere mich noch, wie ich damals die Holzpreise studiert und XXL-Packungen Klopapier im Keller gehortet habe. Vielleicht hätte ich ja etwas Klopapier gegen Bauholz tauschen können?
Also innerhalb von wenigen Monaten eine Verdreifachung des Holzpreises und eine Branche, die es gewohnt war, Teuerungen mit zusätzlichen Aufschlägen an den Kunden weiterzugeben. Der Thread „Baukosten gehen aktuell durch die Decke“ wurde im April ’21 im Hausbauforum erstellt und zählt inzwischen über 12.000 Antworten und über 4 Millionen Aufrufe (und das noch vor meiner Verlinkung =P).
Also nackte Panik allseits. Wir dachten uns also: Hey, Anfang ’21 ist doch sicher die beste Zeit, mal in einen Fertighauspark zu gehen. Überraschend viel war nicht los. Im Fertighauspark Fellbach waren wir schon mal und hatten mit allerhand Verkäufern gesprochen. Mit einem Verkäufer für ein Fertighausunternehmen ohne Grundstück zu sprechen, ist in etwa so, als würde sich ein Normalverdiener in einem Rolex-Geschäft umschauen. Kann man machen, aber außer Frust nimmt man sicher nichts mit heim. Es gab im Prinzip drei Arten von Verkäufern:
- „Ohne Grundstück bist du lästig. Besorg dir eins, dann küsse ich dir die Füße.“
- „Ich spule meine Werbeslogans für die Firma ab. Vielleicht kommst du ja später wieder.“
- „Kein Problem, wir haben da was …“
Natürlich haben wir Typ 3 am liebsten zugehört, und natürlich war Heinz Typ 3. Rückblickend waren die Typ-1-Leute am ehrlichsten. Aber, was ist ein Typ 3?
Kein Grundstück, kein Problem
Wie, du hast kein Grundstück? Das ist zwar unglücklich, aber es gibt Schlimmeres. Komm, lass uns trotzdem schon mal planen. Wir haben eine todsichere Methode, an den Bauplatz deiner Träume zu kommen; einen Grundstücksservice. Das ist quasi ein Selbstläufer, und wenn du dann vorher bei uns unterschrieben hast, bekommst du dein Haus von uns draufgestellt. So einer war der Heinz.
Aber warum eigentlich nicht? Das hört sich doch toll an. Man unterschreibt schon mal, sichert sich die alten Preise, bevor alles in die Binsen geht, und in ein paar Monaten zaubert Heinz ein Grundstück aus seinem güldenen Popo und wir bauen das Haus für einen schmalen Taler. Super, oder? Alles schien möglich. Ein Hauch von 2019 lag in der Luft.
Also diverse Gespräche mit Heinz vereinbart. Erst in Fellbach, dann bei uns, dann über Zoom. Alles toll. Meine Frau war skeptisch. Ich begeistert. Aber Eile, Eile! Die alten Preise sind nur noch kurze Zeit gültig. Die Lager sind fast leer. Nur noch 50 Stück da, und wenn Sie jetzt anrufen, bekommen Sie noch gratis ein Messerset … Moment, falsche Platte …
Heinz drängte uns also, schnell zu sein. Entsprechend haben wir uns nicht wirklich überlegt, was wir wollten. Wir waren wie ein pubertierender Jugendlicher vor seiner ersten großen Liebe. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Wir wollten alles und das gleichzeigt. Hier unsere Wunschliste:
- Gerade Treppe als Zentrum des Hauses
- Koch-Ess-Wohn-Bereich über Eck (immerhin)
- EG: Arbeitszimmer, Gästezimmer
- OG: 2 Kinderzimmer, 1 Arbeitszimmer/Kinderzimmer, ggf. Kinderbad
Wir hatten uns sogar schon eine Abnormalität von Grundriss erdacht:
Rückblickend bin ich überaus dankbar, den Grundriss nicht ins Hausbauforum gestellt zu haben. Die nette Community dort hätte uns sicher den Rest gegeben. Ich wundere mich rückblickend, dass Heinz mir und meiner Frau nach dem Post nicht erst mal den Kopf gewaschen hat. Aber der war wohl zu sehr damit beschäftigt uns die Unterschrift zu entlocken. Wir haben dann tatsächlich von Heinz eine Antwort erhalten. Aber vorher…
Tausendsassa
Habe ich erwähnt, dass Heinz mitten im Kontakt von Schwabenhaus, die laut seiner Aussage richtig gut sind, zu HAAS-Haus gewechselt ist, die dann natürlich noch viel besser waren? Für die Planung hat das natürlich absolut keinen Einfluss, erklärte er uns stolz. Man könne eh alles machen, und wenn das Grundstück einmal da ist, dann fliege er es mit einer Drohne ab und modelliere alles am Computer. Steht das Haus, dann kennt er einen super Fliesenleger und einen noch viel besseren Küchenbauer, mit denen er zusammenarbeitet. Was für ein Glück! Wir haben den Besten gefunden. Die Außenanlagen mache ich dann mit Heinz gemeinsam. No Shit, Sherlock.
Das Beste waren aber die Storys über seine Erfindungen. Der aufmerksame Leser weiß inzwischen, dass ich Physiklehrer bin. Leider habe ich im Studium nicht aufgepasst. Heinz ist Erfinder und hat einen Flugzeugantrieb erfunden, der es ermöglicht, mit reinem Wasser den Atlantik zu überfliegen. Komplett CO2-neutral. Die Vorlesung darüber habe ich wohl verschlafen. Es braucht an Bord nur einen Dampfplauderer, der gewaltige Mengen heißer Luft erzeugt, und der Auftrieb ist garantiert. Der Heinz war schon ’ne Nummer, Leute.
Und während all der Storys: „Wir müssen aber so langsam zur Unterschrift kommen. Die Uhr tickt.“
Butter bei die Fische
Nach dem kleinen Einschub zurück zur Action: Was hat Heinz aus unserem genialen Entwurf gemacht? Ende Februar war es dann soweit. *Trommelwirbel* Solitaire 165 *Täterätätä*
Man beachte den formschönen Erker. Die Pappfiguren und die 1,80 Meter Blumen gibt es nicht dazu.
Bei dem blauen Auto wahr ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher.
Ist sie (?) nicht eine Schönheit? Aber bleiben wir fair, in Anbetracht der Monstrosität, die wir als Grundriss erdacht haben. Außerdem waren unsere Vorgaben auch ziemlich undurchdacht. Jedenfalls sollte der Spaß in der Ausbaustufe 434k Euro kosten. Mit durchschnittlich 30 % Aufpreis für schlüsselfertig wären das 560k Euro gewesen. Klingt traurigerweise mittlerweile immer noch ganz gut. Damals natürlich nicht so.
Also, habt ihr unterschrieben? Wir hatten in dem Jahr noch einiges in der Pipeline. Meine Frau stand vor einer größeren OP und im Sommer war unsere Hochzeit geplant. Wir haben uns also gottseidank gegen die alten Preise und die schnelle Unterschrift entschieden.
Anfang April haben wir dann eine ewig lange E-Mail formuliert und insgesamt 20 Punkte erfragt. Das war Heinz dann doch zu viel. Er hat gemerkt, dass wir ihm entglitten sind und nie auf unsere E-Mail geantwortet. Scheinbar werden wir doch kein Haus mit ihm bauen. Eine wertvolle Lektion war es allemal.
Glückskeks
War das Ganze also eine einzige Zeitverschwendung für alle Beteiligten? Für uns mitnichten! Wir hätten uns um ein Haar zu einer leichtfertigen Unterschrift hinreißen lassen, die wir unser Leben lang bereut hätten. Ein Haus zu bauen ist in Deutschland – auch schon vor Corona – ein riesiges Privileg. In Deutschland liegt die Eigentumsquote bei 42 %. Wie viele von den glücklichen 42 % haben wohl das noch größere Glück gehabt, sich ihr Eigenheim selbst zu bauen und es nicht geerbt oder gebraucht gekauft?
Zu welchem Schluss führt uns das also?
Demut. Sei dankbar, dass du bauen kannst.
Nimm dir so viel Zeit für die Planung, wie du eben musst. Mach dir genau klar, was du willst und was du nicht willst.
Lass dich niemals zu einer Unterschrift drängen.
Wir haben unsere Lektion also gelernt. Zuerst Grundstück, dann aufwendig planen. Wie es der Zufall so wollte, gingen damals ja die Gerüchte in Vollmaringen los…
Hallo,
Du hast im Hausbau Forum nicht richtig aufgepasst. Da wird doch immer geraten nie die eigenen Pläne dem Planer zu zeigen.
Es kommt wie es kommen soll. Dein Plan wird uebernommen und angepasst.
Wie ging es denn dann weiter? Wo sind die aktuellen Plaene? Fotos vom Haus?
Gruuss vom Hanghaus
Hallo Hanghaus,
ja, damals war ich halt noch Günschnabel. 😀
Mit Heinz (ich hab den Namen übrigens geändert) ging es natürlich nirgendwohin. Im letzten Beitrag hab ich schon angedeutet, wohin die Reise dann ging. Über unsere Entwurfsplanung mit Frau Forster werde ich dann heute oder morgen Abende schreiben. Mal sehen. 😉